Die Stadt Wiesloch plant, den traditionsreichen Festplatz zugunsten eines neuen Kunstrasenfeldes zu verkleinern. Was auf den ersten Blick nach einer Maßnahme zur Sportförderung klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als problematisch: Ein zentraler städtischer Veranstaltungs- und Übungsort droht verloren zu gehen, ohne dass die damit verbundenen sozialen und infrastrukturellen Auswirkungen ausreichend bedacht wurden.
Ein Ort mit vielseitiger Bedeutung
Bis vor einigen Jahren war der Festplatz zumindest während des Winzerfestes noch ein echter Festplatz. Seit 2022 gibt es keinen Rummelplatz mehr zum Winzerfest. Das spart der Stadt Kosten, verhindert aber auch Einnahmen zu generieren. Leidtragende sind Kinder und Jugendliche, aber auch die Erwachsenen, die alle viel Spaß auf dem Vergnügungspark hatten. Generationen von Wieslochern verbinden mit dem Winzerfest positive Erinnerungen.
Der Festplatz dient heute nicht nur als Veranstaltungsfläche für den beliebten Flohmarkt (mit Einnahmen von 12.000 Euro jährlich), sondern ist auch täglich Schauplatz der Jugendverkehrsschule sowie regelmäßig Übungsgelände der Feuerwehr. Mit dem geplanten Rückbau würden diese drei zentralen Nutzungen beeinträchtigt – zum Teil massiv.
Die Jugendverkehrsschule müsste auf eine deutlich kleinere Fläche umziehen. Die Verlegung ist mit erheblichen Zusatzkosten verbunden: Ampelanlage, Container und Garagen müssen umgesetzt und angeschlossen werden – erste Kostenschätzungen belaufen sich allein für Tiefbauarbeiten und Markierungen auf über 44.000 Euro, wobei weitere Ausgaben bislang nicht einmal beziffert wurden. Diese Kosten trägt die Stadt Wiesloch allein.
Winzerfest: Historie ignoriert, Zukunft verbaut?
Besonders gravierend ist die Auswirkung auf das traditionsreiche Winzerfest. 1930 fand es erstmals statt – 1934 zum ersten Mal unter dem Namen „Kurpfälzisches Winzerfest“ mit großem Festzug. Über Jahrzehnte hinweg entwickelte es sich zu einem der größten Weinfeste in Baden-Württemberg und galt als „größtes Heimatfest Nordbadens“.
In der Nachkriegszeit bis in die 80er spielte das Fest und die Eisweinhalle eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben – mit traditionellem Tanz und später Live-Musik. Über Jahrzehnte war es ein bedeutendes kulturelles Ereignis in der Region. Allein bei Live-Musikveranstaltungen zähle man damals über 5.000 Besucher in der Eisweinhalle.
Das kurpfälzische Winzerfest war einst eine der wichtigsten Veranstaltungen in Baden-Württemberg – mit Zehntausenden Besuchern. Heutzutage findet es deutlich auf kleinerer Bühne statt, und der Wegfall des Festplatzes wirkt wie das Ende einer Epoche.
Das 100-jährige Jubiläum im Jahr 2030 wäre ein Meilenstein der Stadtgeschichte. Doch wenn der Festplatz nicht mehr zur Verfügung steht, ist eine würdige Austragung dort unmöglich. Oberbürgermeister Elkemann, Bürgermeister Sauer und der aktuelle Gemeinderat verunmöglichen dieses Fest faktisch schon heute, wenn sie heute Abend für den Antrag stimmen.
Hohe Folgekosten und fragwürdiger Mehrwert
Dem gegenüber steht der geplante Nutzen: Ein 60 x 40 Meter großes Kunstrasenfeld für den VfB Wiesloch. Zwar sind die bestehenden Rasenplätze ausgelastet, jedoch besteht für Flagfootball eine Ausweichmöglichkeit auf die Talwiesen. Andere Sportarten haben bislang keine Nutzung beantragt. Ist der Bedarf also wirklich so hoch, dass man dafür ein zentrales städtisches Areal opfert?
Zusätzlich kommen jährliche Folgekosten von rund 33.000 Euro auf die Stadt zu – allein für Pflege, Strom, Wasser und Instandhaltung. Angesichts knapper kommunaler Haushalte und steigender Belastungen erscheint diese Investition schwer zu rechtfertigen.
Entscheidende Gemeinderatssitzung am 25.06.2025
Tagesordnungspunkt 3. – Antrag der Fraktionen CDU, SPD, FWV und WGF/AWL vom 05.06.2026 auf Zurverfügungstellung des Festplatzes für den Bau der einer Kunstrasensportfläche
Eine Bürgerbeteiligung soll laut der Stadt Wiesloch durch die öffentliche Sitzung stattfinden. Die Bürger und Bürgerinnen sind aufgerufen, sich an der Gemeinderatssitzung zu beteiligen. In Gemeinderatssitzungen ist es üblich, dass es auch einen Tagesordnungspunkt gibt „Fragen der Bürger und Bürgerinnen“.
Fazit: Mehr Schaden als Nutzen
Der Umbau des Festplatzes zum Kunstrasenfeld ist aus stadtplanerischer Sicht höchst fragwürdig. Bestehende Strukturen würden zerstört, wichtige städtische Funktionen verlagert oder abgeschafft, während die Vorteile für die Sportvereine überschaubar bleiben. Wiesloch droht, einen multifunktionalen Raum aufzugeben – für ein Projekt, das teuer, einseitig und konfliktträchtig ist.
Ein Moratorium und eine offene Bürgerbeteiligung wären nun das Mindeste. Die Stadt sollte ihre Prioritäten überdenken – und sich fragen, wem Wiesloch in Zukunft eigentlich dienen soll.
Ist den Wieslocher Bürgern das Winzerfest mit Festplatz als Brauchtum und Stück Heimatpflege wirklich so unwichtig geworden? Es wirkt wie ein Schildbürgerstreich, einen so geschichtsträchtigen Veranstaltungsort aufzugeben – für ein Kunstrasenfeld, das nur einem kleinen Teil der Bevölkerung nutzt.