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PZN-Wiesloch: Sicherheitsaspekte führen zu neuen Innovationen

Wiesloch und seine Irrenanstalt – Ein Blick in die Geschichte – Sicherheitsaspekte führen vor über 100 Jahren zu neuen Innovationen – Sicherheit heute.

„Als der Gemeinderat der Stadt Wiesloch im März 1900 den Beschluss fasste, sich um die Ansiedlung der geplanten Heil- und Pflegeanstalt im badischen Unterland zu bewerben, hat sicher noch niemand ahnen können, wie weitreichend eine Zusage sein könnte. In dem Schreiben an das Großherzogliche Ministerium des Innern in Carlsruhe warb man mit der günstigen klimatischen Lage, mit dem vorzüglichen Trinkwasser und der guten Verkehrsanbindung, Attribute, die sich in den 100 Jahren nicht geändert haben.

Das Wesentliche jedoch war der Wunsch und das Interesse der Stadt, Sitz der psychiatrischen Einrichtung zu werden. Auch diese positive Einstellung der Bevölkerung blieb Gott sei Dank bis heute erhalten. Wenngleich man andernorts oft belächelt wurde, so war man immer stolz auf seine „Anstalt“. Dies liegt sicher daran, dass viele Wieslocherinnen und Wieslocher dort einen attraktiven Arbeitsplatz fanden. Bis in die 60er Jahre war das PZN größter Arbeitgeber in Wiesloch.

Das PZN hat aber auch einen prägenden Einfluss auf das Stadtbild von Wiesloch. Das Ensemble historischer Jugendstilbauten ist einzigartig und wurde daher 1978 unter Denkmalschutz gestellt. Die gepflegte Parkanlage mit dem stattlichen Baumbestand war und ist noch heute ein beliebtes Naherholungsgebiet der Bevölkerung. Durch die Verantwortlichen des Zentrums wird diese Öffnung zur Stadt hin gefördert und unterstützt, weil hierdurch dem Gefühl, ausgegrenzt zu sein, entgegengewirkt wird und Kontakte
zwischen psychisch erkrankten und nicht erkrankten Personen entstehen können.
So ist es sicher nicht übertrieben, festzustellen, dass die Patienten und die Bevölkerung der Stadt nicht nebeneinander, sondern miteinander leben.

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Zur Reintegration psychisch Kranker wurden in den letzten Jahren sozialtherapeutische Wohngruppen in und um Wiesloch eingerichtet. Das Zusammenleben mit der Bürgerschaft hat sich nach anfänglicher Skepsis bewährt.

Die Betreuung durch den Sozialpsychiatrischen Hilfsverein erfolgt in der Innenstadt und nicht im geschützten Klinikbereich. Dort finden Patientinnen und Patienten auch Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Wiedereingliederung in ein passendes Arbeitsumfeld hat sich das Berufliche Trainingszentrum (BTZ) zur Aufgabe gemacht. Die Stadt ist Mitgesellschafterin dieser Einrichtung, die Menschen mit eingeschränkter seelischer Belastbarkeit auf das Berufsleben vorbereitet und sie hierzu qualifiziert.

Das PZN ist zwar eine Einrichtung des Landes, es wurde und wird aber von der ganzen Bevölkerung mitgetragen. Ich danke der Leitung des PZN, der Ärzteschaft und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die umsichtige und qualifizierte Versorgung der Patientinnen und Patienten und für die freundliche und offene Atmosphäre. Den Mitbürger-
innen und Mitbürgern danke ich für den offenen, sensiblen und verständnisvollen Umgang mit psychisch Kranken. Besonders dankbar bin ich den Wieslocherinnen und Wieslochern, die als Laienhelfer der Pfarrgemeinden, als Bücherfrauen oder über die Besuchsdienste
menschliche Nähe zwischen Kranken und der Bevölkerung spürbar machen.“ – OB Franz Schaidhammer in der Festschrift zu „100 Jahre PZN Wiesloch“ im Jahr 2005

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die Entwicklung der „Irrenfürsorge“, wie man damals die Behandlung und Unterbringung von Geisteskranken bezeichnete, eine rasante Entwicklung.

Dies war nicht nur auf das starke Bevölkerungswachstum während der Industrialisierung und den Wandel der Wohnverhältnisse zurückzuführen, der vielen Familien die Pflege ihrer erkrankten Mitglieder nicht mehr ermöglichte. Es war auch das Ergebnis eines veränderten Verständnisses von sozialer Fürsorge und gesellschaftlicher Verantwortung. Das Großherzogtum Baden nahm in der Mitte des Jahrhunderts eine führende Position in der internationalen Anstaltspsychiatrie ein.

Im Jahr 1902 wurde in einer von der badischen Landesregierung in Auftrag gegebenen „Denkschrift über den aktuellen Stand der Irrenfürsorge in Baden“ die Gründung von zwei neuen Anstalten vorgeschlagen.

Eine sollte im Oberland bei Konstanz und die andere im Unterland bei Heidelberg errichtet werden. Die Anstalt in Heidelberg sollte die nicht heilbaren Patienten der Heidelberger Irrenklinik aufnehmen und für etwa 1000 Personen Platz bieten.

Die Standortsuche hatte bereits begonnen, bevor die Denkschrift veröffentlicht wurde. Die Liste der Bewerbergemeinden zählte 28 Ortschaften, darunter auch solche, die weiter von Heidelberg entfernt lagen, wie Eberbach, Mosbach und Adelsheim.

Bei der Auswahl des Standorts spielten verschiedene Kriterien eine Rolle, darunter technische Aspekte wie gute Verkehrsanbindungen und geologische Überlegungen zur Bodeneignung für Bau- und landwirtschaftliche Zwecke. Medizinisch-psychiatrische Faktoren wie die ansprechende Landschaft und günstige klimatische Bedingungen, die sich positiv auf die Patienten auswirken würden, wurden ebenfalls berücksichtigt. Angesichts dieser vielfältigen Anforderungen fiel die Wahl schließlich auf die „Wilhelmshöhe“ in Wiesloch, nördlich der Stadt.

Im Sommer des Jahres 1903 wurde mit der Anlage der Straßen, der Kanalisation und der Wasserversorgung begonnen. Im Frühjahr 1904 starteten die Hochbauarbeiten. Im Herbst 1905, nachdem die ersten vier Krankenhäuser und die notwendigen Zentral- und Wirtschaftsgebäude fertiggestellt waren, nahm die Anstalt am 20. Oktober 1905 ihren Betrieb auf, und zwar mit einer Kapazität von 200 Plätzen. Bis zum Jahr 1915 wurden sämtliche Krankenhäuser sowie die meisten Personalwohnhäuser und zentralen Einrichtungen fertiggestellt, mit Ausnahme der Kirche und des Festsaalgebäudes.

Die Wieslocher Fenster

Sicherheitsaspekte führen zu neuen Innovationen

Bei der Einrichtung wurde besonderes Augenmerk auf Sicherheitsaspekte gelegt. Abhängig von der Verwendung der Räume wurden die Türen in verschiedenen Stärken ausgeführt.

Das Schlüsselsystem wurde nach dem Vorbild der Münchner Irrenklinik mit hierarchisch angeordneten Generalschlüsseln für das Wachpersonal und die Ärzte eingerichtet.

Es wurde sogar ein Patent für die eigens entwickelten Fenster unter dem Namen „Wieslocher Fenster“ angemeldet. Es gab etwa zehn verschiedene Typen von Fenstern, die jeweils auf die verschiedenen Raumgrößen und -formen zugeschnitten waren.

Gemeinsam war diesen Fenstern ein spezieller Aufbau, der sowohl Sicherheit vor Stürzen oder Ausbrüchen als auch gute Belüftungsmöglichkeiten bot. Die unteren Flügel waren feststehend und konnten ohne spezielle Werkzeuge nicht geöffnet werden. Oberhalb des niedrig platzierten Querriegels gab es zwei schmale, hohe Drehflügel, die es den Patienten ermöglichten, die Fenster selbstständig zu öffnen.

Diese Öffnung reichte für die Luftzirkulation aus, war jedoch nicht geeignet, um auszusteigen. Die Fenster hatten eine enge Sprossung, die dem damaligen Zeitgeschmack entsprach und große Bedeutung als Teil der Fassadengliederung hatte.

Die Treppenhäuser in den Gebäuden für die unruhigeren Patienten waren durch wandhohe Holzstabkonstruktionen und Etagenabsperrungen gesichert. Als Geschirr wurde hier kein Porzellan, sondern Geschirr aus Holzstoff verwendet.

Sicherheitsbereich „hinter der Mauer“ im „Psychiatrischen Zentrum Nordbaden“

Am 4. Juli 2023 fand in der PZN-Festhalle eine Bürgerinformationsveranstaltung zum aktuellen Neubau des Maßregelvollzugs statt. Diese Veranstaltung richtete sich an die Bürger aus Wiesloch und Umgebung sowie weitere Interessierte.

In einer Mitteilung des PZN-Wiesloch hieß es: „PZN-Geschäftsführerin Anett Rose-Losert betonte zu Beginn der Veranstaltung die Notwendigkeit des neuen Gebäudes „hinter der Mauer“. Es gebe seit 2018 einen steigenden Aufnahmebedarf in den MRV-Einrichtungen in Baden-Württemberg und bundesweit. Außerdem verwies sie auf das gut gepflegte Miteinander des PZN mit der Bevölkerung, deren Repräsentant*innen und der örtlichen Polizei. So waren auch Oberbürgermeister Dirk Elkemann und Leiter des Polizeireviers Wiesloch, Peter Albrecht, vor Ort. Sie gaben einen Einblick in die praktische Zusammenarbeit mit dem PZN.“

Weiter wurde informiert: „Chefarzt Dr. Christian Oberbauer und Pflegedienstleiterin Annette Diemer gaben darüber hinaus detaillierte Einblicke in den Neubau und veranschaulichten den Auftrag der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie. „Mit der Kapazitätserweiterung entstehen am PZN über 100 hochwertige Arbeitsplätze zusätzlich. Die Erweiterung wird außerdem für die Patient*innen viele Chancen und Verbesserungen mit sich bringen“, so Dr. Christian Oberbauer. „Es wird zum Beispiel eine neue Sporthalle für Sport-/Bewegungstherapie geben. Auch die Arbeitstherapie wurde saniert und ein Gemeinschaftszentrum entsteht, in dem die Fachtherapien mehr Gestaltungsfreiraum haben“, so Anette Diemer.“

Grausamer Mord in Wiesloch – Psychiatrie-Patient flüchtet und begeht Bluttat

Am 08.09.2023 sollte eine Gruppe von sechs Psychiatrie-Patienten ihren Weg zur Arbeitstherapie antreten, begleitet wurden sie von zwei Pflegern.

Einer der PZN-Patienten beschritt diesen Weg bereits 129-mal ohne jegliche Zwischenfälle, hieß es später. Doch in dem Gebäude, in dem die Arbeitstherapie sonst stattfindet, kam er diesmal nicht an. Stattdessen flüchtete er aus der beaufsichtigten Gruppe und begab sich in die Wieslocher Innenstadt. Dort beging er eine grausame Bluttat und wurde zum Mörder von Lisa S. (30), die in der Nähe von Sinsheim wohnhaft war und zum Shoppen nach Wiesloch gekommen war.

Der Messer-Mord von Wiesloch ist bundesweit in der Presse thematisiert worden und auch die Herkunft des Täters wird diskutiert. Über die Biografie des Somaliers ist wenig bekannt, bis auf die Tatsache, dass er zuvor bereits schwere Straftaten begangen habe. Die Bild-Zeitung schreibt: Ärzte hatten Messer-Killer Ahmad N. (33) zuletzt „Therapiefortschritte“ bescheinigt.

Der genaue Tathergang ist weiterhin, knapp 4 Wochen nach der Tat, unklar. Der Landtag befasste sich am 15.09. in einer Sondersitzung mit der tödlichen Messerattacke in Wiesloch, doch viele Fragen bleiben noch unbeantwortet. So beispielsweise noch kein Wort über die Anzahl der Messerstiche bzw. Anzahl „scharfe“ Verletzungen, wie sonst üblicherweise von der Polizei mitgeteilt wird.

Neubau PZN-Wiesloch
Neubau PZN-Wiesloch

„Geplante Fertigstellung des Neubaus, der rund 37,4 Mio. Euro kostet, ist im 1. Quartal 2024. Genutzt wird der Neubau für die Therapie und Sicherung von psychisch erkrankten und daher nicht oder vermindert schuldfähigen Straftäterinnen, deren Unterbringung gemäß § 63 des Strafgesetzbuches gerichtlich angeordnet wurde, einschließlich Intensivbehandlung und Krisenintervention. Das neue Gebäude befindet sich im östlichen Teil des PZN-Geländes im Sicherheitsbereich der Klinik. Es werden Unterbringungskapazitäten für 54 weitere Patientinnen auf drei 18-Betten-Stationen geschaffen.“ – teilt das PZN mit.

So bleibt zu hoffen, dass es bald wieder heißt: Sicherheitsaspekte führen zu neuen Innovationen! Denn das Sicherheitsgefühl der Bürger ist auf einem Tiefpunkt nach der schrecklichen Bluttat in der Fußgängerzone.

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Quellen und weiterführende Informationen:

Neubau im PZN Wiesloch

100 Jahre PZN Wiesloch 2005 (PDF)

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