Uncle Sam ist die bekannteste Nationalallegorie der Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Der deutsche Michel ist eine vermutlich schon in der Renaissance entstandene nationale Personifikation der Deutschen.
„Noch heute taucht der deutsche Michel mit seiner Zipfelmütze immer wieder in politischen Karikaturen des In- und Auslandes auf, um z.B. den dummen Deutschen darzustellen, der sich ohne Protest Steuern aufdrücken lässt.“ so die Historikerin Birgit Köhler.
Der deutsche Michel
Die Redewendung „der deutsche Michel“ ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für den durchschnittlichen deutschen Bürger. Der Ursprung des Begriffs geht auf eine allegorische Figur zurück, die im 19. Jahrhundert in politischen Karikaturen und Satiren verwendet wurde.
Die Figur des „Michel“ repräsentiert dabei den einfachen, gutmütigen, aber auch leicht beeinflussbaren deutschen Bürger. Der Name „Michel“ ist eine Verkürzung von „Michael“, einem häufigen Vornamen, der als symbolischer Platzhalter für den Durchschnittsmenschen diente.
Die Verwendung des Ausdrucks hat oft einen ironischen oder kritischen Unterton und kann auf die politische Passivität oder Naivität des durchschnittlichen Bürgers hinweisen. Es gibt jedoch auch positive Konnotationen, die den deutschen Michel als bodenständig und zuverlässig charakterisieren. Insgesamt hängt die Interpretation stark vom Kontext ab, in dem der Ausdruck verwendet wird.
Die deutsche Liesel
Die Bezeichnung „die deutsche Liesel“ wird nicht so weit verbreitet wie „der deutsche Michel“. In der Regel wird der Name „Liesel“ nicht als allegorische Figur für den durchschnittlichen deutschen Bürger verwendet, wie es bei „Michel“ der Fall ist.
Es ist möglich, dass „die deutsche Liesel“ in bestimmten Kontexten oder in regionalen Dialekten verwendet wird, um eine durchschnittliche oder typische deutsche Frau zu beschreiben. Es könnte jedoch auch sein, dass der Name „Liesel“ in bestimmten Fällen einfach als Beispiel für einen allgemeinen deutschen Vornamen genommen wird, ähnlich wie bei „Michael“.
Es ist wichtig zu beachten, dass solche Ausdrücke oft von Region zu Region und im Laufe der Zeit variieren können. Wenn möglich, könnte es hilfreich sein, den Ausdruck im spezifischen Kontext zu betrachten, in dem er verwendet wird, um seine Bedeutung genauer zu verstehen.
Deutscher Michel sägt am eigenen Ast – Applaudierende Sowjetsoldaten:
„Bedrohung von Freiheit, Sicherheit, Wohlstand – Kalter Krieg. Das darf nicht sein! Darum nur CDU“ so die Werbebotschaft des Wahlplakates.
Die Darstellung und Merkmale der Figur des deutschen Michels
Auffälligstes Merkmal des Michels ist seine Schlaf- bzw. Zipfelmütze. Die frühesten bildlichen Darstellungen dieser Figur stammen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und beziehen sich auf literarische Vorläufer sowie auf ein volkstümliches Verständnis der Figur. Bereits in den 1840er Jahren erreichte der Michel seinen Höhepunkt an Popularität.
Die Eigenschaften und das Wesen dieser Figur sind bis heute Gegenstand politischer Diskussionen. Eine verbreitete Ansicht ist, dass der Michel auf den Erzengel Michael (Schutzpatron Deutschlands seit der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955) oder den Reitergeneral Hans Michael Elias von Obentraut zurückgeht. Jedoch fehlen für beide Behauptungen stichhaltige Belege. Es gibt interessante Hypothesen bezüglich möglicher Einflüsse durch die Figur des Heiligen Michael, wie Pilgerfahrten zum Mont-Saint-Michel oder die Rolle des Schutzheiligen bei der Christianisierung Norddeutschlands. Die früheste belegte Erwähnung des deutschen Michels findet sich in einem Sprichwörterbuch von Sebastian Franck aus dem Jahr 1541, also einige Jahrzehnte vor Obentrauts Geburt. In diesem Kontext wird der deutsche Michel als Dummkopf, Tölpel und Fantast bezeichnet, wie auch in anderen zeitgenössischen Quellen.
Herkunft der Redewendung der „deutsche Michel“
In der Wissenschaft ist heute die verbreitete Ansicht, dass die Redewendung „ein deutscher Michel“ ihren Ursprung in der Renaissance hat. Der deutsche Humanismus hatte sich für Latein als die Sprache der Bildung entschieden, was zu einer Kluft zwischen der Bildungssprache und der Sprache des Volkes führte. Dies wiederum führte zu einer geistigen Kultur, die den Anschluss an ausländische Entwicklungen suchte. In diesem Kontext entstand die Redewendung vom „teutschen Michel“ wahrscheinlich in einem Zusammenspiel ausländischer Stereotype der Renaissance, die den Deutschen als völlern, saufend und schlaftrunken darstellten, und dem negativ belegten deutschen Bauernbild des ausgehenden Mittelalters.
Entgegen den ursprünglich rein abwertenden Verwendungen wurde die Figur während des Dreißigjährigen Krieges zum Symbol einer kulturellen Emanzipation und der Reinheit der deutschen Muttersprache, besonders durch Autoren wie Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Bereits um 1630 wurde der Begriff im Kampf gegen Fremdwörter mobilisiert und diente als Titel eines satirischen Flugblatts namens „Teutscher Michel“. Dieses Flugblatt gilt als eine bemerkenswerte Erscheinung des deutschen Sprachpurismus.
Noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts verwendete Gottlieb Wilhelm Rabener den Begriff, um die generelle Geringschätzung für die deutsche Dichtung zu beklagen. Gleichzeitig gewann die Figur des „Vetters Michel“ an Popularität, die als gemütlich, bieder und mit einem Bedürfnis nach privater und öffentlicher Ruhe beschrieben wurde. In humoristischen Periodika und der Literatur des 19. Jahrhunderts finden sich verschiedene Interpretationen, wobei der „Michel“ oft als Opfer von Unterdrückung in einer masochistischen Rolle dargestellt wird.
„Bereits 1541 findet sich in Sebastian Francks Sprichwörtersammlung der Michel als Synonym für einen „groben dölpel und fantasten“. Im Humanismus wurde es erstmals zum Schimpfwort für den ungebildeten, im Lateinischen nicht bewanderten Deutschen, welches später, im 17. Jahrhundert, auch positiv gewertet wurde: der ehrliche deutsche Michel, der seine deutsche Sprache hochhält.“ so Historikerin Birgit Köhler.
Sie erklärt weiter: „Seit dem 18. Jahrhundert entstanden der bäurische Michel, als arbeitsamer, aber verträumter Bauern-Knecht, und der philiströse „Vetter Michel“, von dem vermutlich auch die typischen Michel-Requisiten Pfeife und Zipfelmütze stammen. Die Nachtmütze war zu jenem Zeitpunkt schon länger Kennzeichen für Spießbürger mit beschränktem Verstand und furchtsamer Natur.
Die politische und nationale Gestalt des deutschen Michels
„Michels Karriere als politische und nationale Gestalt begann erst im Vormärz, als das Adjektiv „deutsch“ zunehmend politisch wurde, „der deutsche Michel der Revolutionszeit als verkörperte Bemühung um ein freiheitliches und einiges Gesamtdeutschland“. Häufig wurde er als verschlafender Riesen-Michel dargestellt, der 1813 zwar aus langem Schlaf erwachte, aber inzwischen wieder eingeschlafen war, eingeschläfert wurde oder auch, mehr als Ausdruck einer Hoffnung denn einer Realität, nicht mehr einzuschläfern war. Näheres hierzu später bei der Besprechung der beiden Karikaturen. Nach der März-Revolution stellte die Karikatur den Michel wieder vom Schlaf übermannt dar, Ausdruck der Enttäuschung über die missglückte Revolution und der Verbitterung über die aufgezwungene Reichsverfassung.“ erklärt die Historikerin.
Vor und während des Ersten Weltkrieges zeigte sich Michel in der Innenpolitik nach wie vor träge und gleichgültig, wurde jedoch auf der internationalen Bühne als „guter“ Michel dargestellt, der einen starken Willen zum Frieden bekundete und gleichzeitig entschlossen kämpfte, wenn es erforderlich war. Während der Zeit des Dritten Reiches wurde die Michel-Figur offiziell abgelehnt, da sie als zu „dämlich“ angesehen wurde. In der Bundesrepublik Deutschland wurde sie jedoch wieder aufgegriffen, diesmal als Symbol für den Wiederaufbau oder auch in Form des geteilten oder doppelten Michels als Zeichen für die deutsche Einheit. Allerdings wirkte diese Darstellung weitaus resignierter und weniger kämpferisch als im vorangegangenen Jahrhundert.
„Nach 1989 tauchte Michel in der Karikatur nur mehr als dummer Bürger auf, der vom Staat geschröpft wird, ohne dagegen zu protestieren. Er ist neutraler geworden, und nur die Zipfelmütze ist geblieben.“ erklärt Birgit Köhler.
Gedanken über die Symbolfigur der Deutschen: der Michel
Ein Video von Martin Hannemann:
Musik zum Thema deutscher Michel:
Der deutsche Michel und die deutsche Liesel der Gegenwart:
„Der Deutsche an sich möchte gern gut Freund mit USA, China und Russland sein und merkt dabei nichts von seiner eigenen Ahnungs- und Machtlosigkeit. Er glaubt sogar, er könne die Welt vor dem „Klimatod“ retten, indem er die deutsche Wirtschaft umbaut.“ schreibt die WELT. Und erklärt weiter: „Der Michel meint, er könne die Welt vor dem „Klimatod“ retten, indem er die deutsche Wirtschaft umbaut. Dabei übersieht er die immensen damit verbundenen Kosten und ist sich seiner Machtlosigkeit nicht bewusst. Mit einem Anteil Deutschlands von weniger als zwei Prozent am Kohlendioxidausstoß der Welt wirkt alles, was er tut, wie ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Quo vadis Germania? – Wohin gehst du, deutscher Michel?
Aktueller Bezug:
Wird aus den Bauernprotesten ein Bürgerprotest?
Zwar zeigen viele unterschriedliche Umfragen, dass die Mehrheit der Bürger Verständnis mit den Bauern und solidartisch ist – doch auf die Straßen gehen bisher nur die wenigsten Bürger.
Nur wenige Bürger (insb. Privatpersonen, Arbeitnehmer und Angestellte) demonstrieten mit beim Bauernprotest in Heidelberg oder dem Bauernprotest in Sinsheim sowie den vielen bundesweiten Demos.
Wie ist die Sicht der Bundesregierung und die des Bundeskanzlers auf die Proteste?
Ist es ein Protest, der sich beschränkt auf die Bauern, auf deren Verbände und Interessenvertreter oder haben wir es nach Einschätzung der Bundesregierung vielleicht mit einer größeren Protestbewegung zu tun? Auf die man vielleicht auch anders reagieren muss als auf eine Bewegung, die sich eben auf die Bauern beschränkt?
Antwort der Regierungssprecherin: „Wir haben ja immer wieder betont und das mache ich auch an dieser Stelle gern noch mal, dass natürlich solche Äußerungen von Protest absolut legitim sind. Wenn sie im Rahmen des Gesetzes durchgeführt werden. Und wir begrüßen den Austausch, den wir auch mit den Bauernvertretern innerhalb der Regierung, zu den Themen und den Anliegen der Bauern haben. Dazu wie diese Demonstrationen zusammengesetzt sind, ist der Eindruck, dass es einen sehr starken Fokus auf die Bauernschaft tatsächlich hat. Ja, die Anliegen, die vorgebracht worden sind sehr stark die Interessen der Bauernschaft.“
Quellen und weiterführende Informationen zum deutschen Michel:
BNN: Kampf um Pressefreiheit: Baden leistete Widerstand gegen Karlsbader Beschlüsse
WELT: Der deutsche Michel ist zurück – und dem globalen Machtpoker ausgeliefert
Ist Deutschland wieder einmal der kranke Mann Europas?
P.S. Michel erwache!